Geschichte Oeries

Frühgeschichte

Oerie gehört zu den ältesten Orten im Gebiet der Stadt Pattensen . Die Wurzeln reichen zurück bis in erste Hälfte des 1. Jahrtausends. Urkundliche Belege treten jedoch, wie bei den meisten anderen Orten auch, erst Jahrhunderte später auf.

Der Ortsname wurde lange Zeit mit dem Vorkommen von Raseneisenerz in Verbindung gebracht. Später setzte sich bezüglich des Ursprungs des Names durch, dass dieser von vorhandenen Sand abzuleiten ist.

Archäologische Fundstücke

Ein archäologischer Fund am östlichen Dorfrand, bestehend aus frühmittelalterlichen (Urnen-)Scherben, Knochenresten, im Feuer geglühten Sandstein und Eisenschlacke, weist darauf hin, dass die Siedlung – zumindest zeitweilig – in unmittelbarer Nähe des heutigen Dorfes lag…..

Steinbeil – ca. 4500 Jahre vor unserer Zeitrechnung (gefunden in der Nähe des heutigen Oerie)

Absatzbeil Steinbeil – aus der Bronzezeit (gefunden in der Nähe des heutigen Oerie)

Hinweis: Wer das Landesmuseum in Hannover besucht, der kann das oben beschriebene Steinbeil bewundern (Nr.9)

Im Landesmuseum
Gräberfunde

Im Bereich des heutigen Pattenser Stadtgebietes wurden mehrere Gräberfelder entdeckt. Eines davon hat es östlich von Oerie, auf dem Thiedenwieser Anger gegeben; aus ihm sind im 19.Jahrhundert Urnen ausgegraben worden, über deren Verbleib nichts bekannt ist.
Da heute keine hügelgrabähnliche Erhöhung mehr auszumachen ist, ist davon auszugehen, dass der Bereich nach der Grabung eingeebnet worden ist.

Quelle: PATTENSEN – ZUR GESCHICHTE UND ENTWICKLUNG DER DÖRFER (BIS ENDE DES 16. JAHRHUNDERTS) ; Herausgeber: Stadt Pattensen ; Verfasser: Eckard Steigerwald ; © Stadt Pattensen 1986

Aus dem Buch: PATTENSEN – ZUR GESCHICHTE UND ENTWICKLUNG DER DÖRFER (BIS ENDE DES 16. JAHRHUNDERTS) ; Herausgeber: Stadt Pattensen ; Verfasser: Eckard Steigerwald ; © Stadt Pattensen 1986


Leben im Oerie des 17. Jahrhunderts

F.P.Florini: „Oeconomus prudens et legalis“ fol. 557 (1722) Kuperstich: Pflügen von Feldern mit Ochsen- oder Pferdegespannen

F.P.Florini: „Oeconomus prudens et legalis“ fol. 557 (1722)
Kuperstich: Pflügen von Feldern mit Ochsen- oder Pferdegespannen

Folker Wagner-Hett aus Hannover erzählt auf seiner Internetseite www.folker-wagner-hett.de die Geschichte seiner Vorfahren, den Mummentheys. Ein Kapitel im Leben der Mummentheys spielt in Oerie:

Von Hüpede führt eine schmale, unauffällige Straße nach Oerie.

Ein kleines Dorf mit wenigen, meist großen Höfen. In einer Biegung der Dorfstraße ein verwunschener Bauerngarten, Dahlien, Chrysanthemen,Tränende Herzen, Apfel- und Birnbäume, die Erde eines Beetes noch feucht und glänzend, Gartengerät gerade eben benutzt….

Keine der Fotografien bringt den Zauber des Gesehenen zurück so, wie es die Erinnerung bewahrt hat.

Zu Oerie geben schon vier Quellen Auskunft: die Musterungsrolle von 1592, das Calenberger Hausbuch von 1592, das Kirchenbuch der Hüpeder Kirche und die Kopfsteuerbeschreibung von 1686/89.

Wenn auch nicht alle Daten widerspruchsfrei zusammenpassen, so ergibt sich doch ein Bild, daß beispielhaft das Werden und Vergehen von Namen und Familien auf den Bauernhöfen im Calenberger Land beschreibt.

Die beiden Hanß Mummentey in Hüpede und Oerie um 1592 mögen verschiedene oder identische Personen sein, der Eheschließung, zwei Generationen später, am 14. Januar 1651: Hans Mommentey ehelicher Sohn und Engel Hinrich Hogrefe ehel. Tochter copulieret folgt am 2. Januar 1652: Hans Mommentey ein Söhnlein getauft nahmenß Cord.

Dieser Curt Mummentey, Sohn von Hans Mummentey und Enkel von Hans Mummentey hat nach der Kopfsteuerbeschreibung einen Halbmeierhof von 27 Morgen. Das entspricht der Hofgröße des Oerier Hanß Mummentey von 1592: einen Hof und 1 Huefen Landes vom Hospital dem heiligen Geist zue Hannover.

Kurt Mummentey heiratet mit 34 Jahren am Johannistag 1686 Anna Wulfes in Bothfeld. Anna ist am Tag der Hochzeit 25 Jahre – als sie 1737 mit 77 Jahren stirbt, war sie elfeinhalb Jahre mit ihrem ersten Mann, Curt Mummenthey, und 39 Jahre mit ihrem zweiten Mann, Henny Rössing, verheiratet. Sie hat vier Kinder aus der ersten Ehe, drei Töchter und einen Sohn, der schon 1717 stirbt. Mit ihm stirbt die männliche Linie der Mummenteys in Oerie aus.

Möglich, daß es noch Quellen gibt, die auch die Erzählung eines alten Herrn aus Hüpede belegen, der von seinem Vater berichtete, welcher bei bestimmten Gelegenheiten Aussprüche des alten Schäfers Mummentey zitierte.

Mit einem geschätzten Geburtsjahr 1850/60 dürfte es sich aber eher um eine Rückwanderung des Namens aus dem Lühnder und dem Groß- und Klein-Lobker Gebiet handeln, für die auch verwandtschaftliche Beziehungen zum Grasdorfer und Rethener Bereich belegt sind.

Oerie ist ein kleiner Ort. Man geht wenige Schritte und blickt schon hinaus auf die weiten Felder.

Von dort ist auch Hinrich Mummentey, Bruder von Hans Mummentey und Onkel von Curt, nach kräftezehrender Arbeit auf seinen Hof zurückgekehrt.

Hinrich heiratet am 26. November 1667 in Oerie, den Namen seiner Frau konnte ich nicht mehr bestimmen, an einigen Stellen war das Kirchenbuch durch Lagerschäden unleserlich geworden.

Vielleicht hat er in eine Bauernstelle eingeheiratet oder den Hof nur als Interimswirt geführt.

Seine Frau stirbt nach fast elf Jahren Ehe zehn Tage nach der Geburt ihres zweiten Sohnes am 24. Juli 1678 in Oerie.

Der kleine Jost Mummentey hatte nach dem Tod seiner Mutter wohl noch weniger Chancen als der schon im Januar 1672 im Alter von zwei Jahren gestorbene Bruder Diedrich.

Ich durchquere das Dorf einige Male in alle Richtungen, die Vergangenheit liegt so nah und ist doch so weit entfernt. Hinter einem Zaun, auf einer kleinen Wiese im Auslauf eines großen Backsteinhauses ist eine große Tafel gedeckt.

Fröhliches Stimmengewirr und Jauchzen von vergnügt spielenden Kindern klingt herüber. Feste und Feiern waren die Abwechslungen, die ein hartes und von Entbehrungen gezeichnetes Leben erträglich machten.

Hinrich Mummentey heiratet später in Jeinsen Lucie Brandt, die Witwe von Wedekind Gott. Seine 1675 geborene Tochter Maria aus erster Ehe wird in der Kopfsteuerbeschreibung (1686) mit den Kindern Cord (22 J.), Hans (19 J) und Ilse Gott (16 J.) genannt.

Die 1673 geborene Tochter aus erster Ehe, Ilsebeth, ist zu dieser Zeit mit 13 Jahren Kleinmagd in Jeinsen bei Martin Sievers und Anna Gott. Ilsebeth Mummenthey wird später Hinrich Hogrefe, vielleicht ein Bruder Engel Hogrefes, heiraten, der 1686 noch mit Ilse Brant als Ehefrau und einem Sohn von eineinhalb Jahren genannt wird. Das Hüpeder Kirchenbuch verzeichnet Anno 1723 den 30. Mai Ilsebeth Mummenthey Hinr. Gogrevens Frau alt 50 J. Hinrich Mummenthey ist 1689 Gevatter des einzigen Sohnes von Curt Mummentey, Hinrich, der am 15. Dezember 1717 im Alter von 28 Jahren stirbt.

Oerie habe ich immer bei Sonnenschein besucht, freundliche helle Bilder, die sich mir eingeprägt haben.

Wie ist es im Herbst und Winter, wenn der Wind über die Ebene pfeift und die Landschaft von dem grauen Himmel erdrückt wird?

Eine Häufung der Todesfälle in den Wintermonaten läßt sich aus dem Kirchenbuch ablesen, sterben sie nicht schon als Kinder, dann als Zwanzig- oder Dreißigjährige.

Die harte Arbeit und die Hoffnungslosigkeit als zweit- oder drittgeborene, je einen eigenen Hof zu erlangen und so aus der Abhängigkeit zu entkommen, fordern ihren Tribut. Diedrich Mummentey stirbt mit dreißig Jahren, begraben am 1. Juni 1699 in Oerie, 1686 ist er Pflugjunge auf dem Hof seines Bruders. Die Verpflichtung, nahe Verwandte auf dem Hof mit zu versorgen, konnte auch zur Last werden, was nicht nur dem Hofbesitzer einsichtig war.

Vielleicht sind die Frauen etwas lebensstärker, allerdings stirbt die alte Mummenteysche, Engel Hogrefe, Hans Mummentey Relicta schon mit 51 Jahren, während Tochter Anna sehr ungesund (20 J) {1686} mit 65 Jahren ein nahezu biblisches Alter erreicht. Hans Mummentey wird 51, sein Sohn Curt 45 Jahre alt.

Seine Schwester Engel Mummentey, 1686 bei Pastor J.H. Hahne in Hüpede Großmagd, erreicht ein Alter von 48 Jahren. Für die dreizehn Familienmitglieder deren Geburts- und Sterbedaten bekannt sind, ergibt sich ein Durchschnittsalter von 35 Jahren, neun von ihnen sterben in den Wintermonaten.

Bei der Arbeit mit dem Kirchenbuch, reihen sich die Daten zuerst nur undeutlich in einen zeitlichen und familiären Zusammenhang ein.

Ich freue mich über die Funde und kann gar nicht schnell genug notieren. Dann gewinnt hinter der Reihung das Leben der Menschen an Kontur, sie werfen einen Schatten über die nüchternen Zahlen hinaus, auch auf die eigenen Erinnerungen, eine Kindheit im Dorf Schoningen, in dem sich meine soziale Identität, von der Person meines Großvaters Georg Mummenthey ableitete.

Ich gehe noch einmal nachdenklich durch Oerie, betrachte jede Hofstelle und schreite alle Straßen ab, blicke über das Land: „Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blühet wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr“. Diese beiden Verse des Psalms 103 werden auch die Oerier Mummenteys auswendig gewußt haben.

Der Himmel hat sich bezogen, ein Gewitter kündigt sich an. Die ersten Regentropfen fallen als ich mein Auto am Dorfanger erreiche…..

www.folker-wagner-hett.de

Analyse des Ortsnamens

Die folgenden Ausführungen sind dem Buch:

U. Ohainski, J. Udolph, Die Ortsnamen des Landkreises und der Stadt Hannover, Bielefeld 1998, S. 348-349

entnommen. Der auf dieser Seite dargestellte, vom Autor genehmigte Buchauszug, enthält Verweise, für deren Verständnis das o. g. Buch herangezogen muss.

Oerie (Pattensen)

Im folgenden wird das entsprechende Jahr und die dazugehörige Schreibweise des Ortsnamens aufgelistet. In der Klammer steht die Quelle (Literaturverzeichnis in o. g. Buch)

  • 1033 Oride (MGH DK II Nr. 192 S. 255)
  • 1153-1167 Orethe (Würdtwein, Subsidia VI Nr. 114 S. 341)
  • um 1230 Hermanni de Orede (Dobbertin, Heinrich Hisse S. 190)
  • 1251 Reinoldus de Orethe (Calenb. UB V Nr. 57 S. 49)
  • 1284 Orethe (Calenb. UB III Nr. 439 S. 276)
  • 1356 Ardhe (UB Hannover, Nachtrag S. 13)
  • 1554 Oerde (Steigerwald, Pattensen S. 131)
  • 1592 Ohrdinge (Calenberger Hausbuch S. 101)
  • 1791 Oehrie (Scharf, Samlungen II S. 172)
Ortsname

Der Name zeigt im Auslaut einen Wechsel von -ide mit -ethe und späterem -de. Erst spät erscheint das heutige -ie, was wahrscheinlich wie bei Lemmie zu erklären ist.

Bisherige Entwicklung

Förstemann, Ortsnamen 2 Sp. 443 schreibt zu dem Namen, er enthalte „ndd. (westfäl. u. holstein.) @ r, @ rd, m. die bank des raseneisensteins in sumpf und unter heidboden, wovon ndd. ortsteen. Sächs.-ndl. oer, n. eisenerz; oereg, eisenhaltig. Norweg. urd, steingrund, norw.-dial. @ r, or, schwed. or, schwedisch ör“, setzt aber hinzu: „Gehört das d in ord ursprünglich zu dem worte?“

Diese Deutung übernahm Steigerwald, Pattensen S. 129. Udolph, -ithi, S. 108 stellt den Namen zu den zahlreichen -ithi-Bildungen Norddeutschlands und referiert Förstemanns Deutung, erwähnt aber auch die Etymologie von Petters, Kunde S. 472f., der in dem ON eine Dialektform der Baumbezeichnung Ahorn („Acer pseudoplatanus“) sieht. Dem ist Möller, Dentalsuffixe S. 84 – ohne es zu erwähnen – gefolgt: „Unsicher; aber wohl eine -ithi-Ableitung, wie das benachbarte Hüpede.

Der Ort liegt an einem kleinen Zufluß in den Hüpeder Bach … Wahrscheinlich liegt germ. *ahurna, auch *ahura, ablautend *ahira ‘Ahorn’ zugrunde“.

Eigene Deutung der Autoren

Keiner der bisherigen Vorschläge überzeugt. Der Zusammenhang mit or, oert „(rötlicher) Sandstein“ bleibt unsicher. Zwar findet sich im DWB Bd. 24 Sp. 2354f. der Eintrag: „ur, m., ferrum caespitosum, mit zahlreichen bezeichnungen wie raseneisenstein, eisensandstein, brauneisenstein, ohrsand, ortstein, lesestein, fuchserde, wiesen-, sumpf-, morast-, see-, quellerz, limonit; nd. uur, ôr […] nl. oer; engl. ore … wort und sache fehlen im gebiet des oberdeutschen …“, der für einen Zusammenhang mit dem Ortsnamen (ON) sprechen könnte.

Auch norddt. Mundarten kennen das Wort, so etwa aus Lüneburg: „ûr-îr, Ort-erde, Brandfuchs, eine rötlichbraune Erde. Name einer nicht selten vorkommenden unfruchtbaren und die Bebauung erschwerenden Erdschicht unter der Oberfläche des Geestbodens … Die Ort-erde … ist die lockere Abart des … festen Ort-steins … Dieser heißt weithin im Lüneburgischen @ rt-stäin …“ (Lüneburger Wörterbuch III S. 543). Allerdings fehlt es in älterer Zeit, weder im Mnd. noch im Asä. ist es bezeugt.

Außerdem zeigen die verwandten germ. Sprachen – im Zusammenhang mit dt. Ort-stein -, daß das Wort ursprünglich ein -d oder -t im Auslaut besessen hat, vgl. anord. urð „Steinboden, Felsgeröll“, neuisländ., färö. urð, neunorw. urd, ur, auf Shetland heißt es urd (de Vries, Altnord. Wörterbuch S. 635). Wenn dieses Wort in unserem ON verborgen wäre, hätte in den alten Belegen auch ein -t oder -d auftauchen müssen. Auch die Deutung mit Hilfe des Ahorn-Wortes ist eine Verlegenheitslösung und abzulehnen. So früh ist von diesem Baumnamen keine ur- oder -or-Form bezeugt; noch mnd. heißt es = h@ rn. Die Deutung muß von einer Grundform *Or-ithi ausgehen, wobei der anlautende Vokal O- sekundär entstanden sein muß: zugrunde liegt entweder ein Ansatz *Ur-ithi oder westgerm. *Aur-ithi.

Die besten Anschlüsse bietet die zweite Möglichkeit. Die nordgerm. Sprachen kennen ein Wort, das hier herangezogen werden kann. Es handelt sich um anord. aurr „sandiger Boden“, „Kies, mit Stein untermischter Sand“, neunorw. aur, aurr, ør „Bodensatz, Hefe, sandiger Grund, grober Sand; Boden, Erde, Kieserde, harte Erde; Gemisch aus Kies und Sand; Delta, Sandbank“. Im Schwedischen und auf Gotland ist es auch heute noch weit verbreitet: ör, aur bedeutet „Schotter, Sandbank aus Schotter, Sandbank, Insel“, „Kies, Steingrund“, auch „niedriger Felsen im Meere“. Nach Hellquist, Svensk etymol. Ordbok 2 S. 1462 und anderen ist das Wort auch in vielen ON enthalten, so in Ör, Öra, Örby, Örebro, Öregund und in dem bekannten Öresund. Im Dänischen ist es nicht so verbreitet, aber in ON findet es sich auch hier: Korsør, Skelskør und in dem bekannten Helsingør. Der ON Oerie wäre demnach als *Aur-ithi zu interpretieren und als „Sandort, Kiesort“ zu verstehen.

Dazu paßt die Lage des Ortes, in dessen unmittelbarer Nähe Ablagerungen von Flugsand die Landschaft geprägt haben. Zu beachten ist aber, daß das zugrundeliegende germ. Wort zur Zeit der Namengebung den hiesigen Bevölkerung noch bekannt gewesen sein muß. Unnötig und verfehlt ist die Annahme, daß aus dem Norden vordringende germ. Stämme den Namen gegeben hätten.